Buchstaben & Co
Das kleine Lettering-Einmaleins
von Julia | 27. April 2023
Was genau ist Lettering eigentlich? Auch wenn es die Kunst des Buchstabenmalens bereits seit sehr vielen Jahren (genauer gesagt, in etwa seit dem Erfinden der Schrift) gibt, sind jenseits der Kreativszene noch längst nicht alle Menschen mit dem Begriff in Berührung gekommen. Hier also ein kleiner Überblick zum Kennenlernen und Informieren für alle Frisch-Interessierten:
Was ist Lettering?
Lettering (auch als Handlettering bekannt) ist das Zeichnen und Gestalten von Buchstaben, Wörtern oder kurzen Phrasen für einen bestimmten Zweck. Während in der Kalligrafie geschrieben wird und in der Typografie ganze Schriftsysteme zum Einsatz kommen, wird beim Lettering ein Schriftzug von Hand gezeichnet und dann mehrmals überarbeitet, um das Ergebnis weiter zu verfeinern. Oftmals wird die so erstellte Skizze oder Zeichnung anschließend für die digitale Verwendung am Computer nachbearbeitet und als vektorbasierte Grafik umgesetzt.
Hierzu braucht es ein geübtes Auge für Details, um optische Lücken in der Komposition ausgleichen und die visuelle Balance der einzelnen Elemente herstellen zu können.
Der Unterschied zwischen Kalligrafie und Lettering
Häufig miteinander vermischt werden die Begriffe Lettering und Kalligrafie, da die beiden Techniken und die am Ende erzielten Ergebnisse sich auf den ersten Blick sehr ähneln können. Der Unterschied lässt sich aber recht leicht verdeutlichen:
Kalligrafie bedeutet, es wird geschrieben, das heißt, der Stift oder die Feder wird in einem Zug über das Papier geführt, um Buchstaben und Worte zu bilden. Dabei ist es unerheblich, ob dies mit einer Spitzfeder, einem Pinselstift oder einem anderen geeigneten Werkzeug geschieht. Anders als beim einfachen, alltäglichen Schreiben geht es bei der Kalligrafie vor allem um den künstlerisch-ästhetischen Ausdruck.
Kalligrafieübungen mit Tinte und Feder, 2017. Gar nicht so leicht, wie es aussieht.
Beim Lettering hingegen wird gemalt bzw. gezeichnet, und dieser Prozess findet üblicherweise in mehreren Überarbeitungs-Durchgängen statt. Die Formgebung der Buchstaben wird also nach und nach weiter ausgebaut, wohingegen in der Kalligrafie der Anspruch besteht, die Formen direkt so wie gewünscht auf das Papier zu bringen. Lettering dient üblicherweise dem Kommunizieren einer konkreten Botschaft und wird daraufhin optimiert.
Auch beim Lettering kommt es nicht darauf an, ob gleich digital am Tablet oder am Computer oder ob zunächst analog auf dem Papier gearbeitet wird oder welches Werkzeug dabei zum Einsatz kommt (ob Bleistift, Marker oder Digitalpen …). Ich persönlich arbeite stets mit Stift und Papier, bevor das Ganze anschließend digital umgesetzt wird.
Als Lettering-Artist muss man die Kalligrafie zwar nicht gemeistert haben, ein gewisses Grundlagenwissen in dieser Disziplin ist aber von großem Vorteil. Lettering bietet insgesamt etwas mehr Gestaltungsfreiheiten, baut aber auf den gleichen Prinzipien auf wie die bestehenden Schreibsysteme.
Den möglichen Stilrichtungen sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Ob Buchstaben mit Serifen oder in Schreibschrift, ob schlicht und elegant oder dekorativ ausgeschmückt – gelettert werden kann alles, was Schrift darstellt, also zu lesen ist. Die Buchstaben erhalten je nach gewünschter Wirkung mal mehr, mal weniger optisches Gewicht und für ein stimmiges Endresultat wird jedes Detail an die richtige Stelle gebracht.
Lettering hat mit Schreiben also nicht viel zu tun, es handelt sich vielmehr um eine zeichnerische und illustrative Darstellungstechnik. Auch deshalb lassen sich Lettering und Illustration übrigens prima miteinander kombinieren.
Und dann ist da noch die Typografie
Bei dieser geht es nicht darum, einzelne Buchstaben zu gestalten (das machen wiederum die Type Designer, allerdings müssen diese sehr viel systematischer vorgehen als die Lettering-Profis), sondern darum, ein System von bereits fertigen Komponenten – natürlich sind auch das Buchstaben – anzuwenden. Früher war das beispielsweise das Anordnen oder Setzen von Bleilettern für Druckmaschinen, heute bedeutet es in der Regel den versierten Umgang mit digitalen Schriftarten, also den bekannten Fonts, die man am Computer einsetzt.
Auch hier gilt: Ein solides Wissen in der Typografie hilft ungemein dabei, beim Lettering gute Ergebnisse zu erzielen – und umgekehrt genauso.
Typografie in einem von mir gestalteten Sachbuch.
Lettering in der Praxis
Anwendungsbeispiele für Lettering in der realen
Welt.
Die Einsatzgebiete für ein Lettering – ob alleine für sich stehend oder im Zusammenspiel mit illustrativen Elementen oder Typografie – sind vielfältig und umfassen Drucksachen wie Plakate, Titel- und Kapitelgestaltungen für Bücher, Magazine oder Zeitschriften, Verpackungsdesigns, Artworks ebenso wie digitale Grafiken für unterschiedlichste Zwecke, Logo- und Corporate-Designs und reichen bis hin zur analogen Wandgestaltung, Schaufensterdekoration oder gar mit Schriftzügen verzierten Gegenständen. Anders gesagt: Überall dort, wo Schrift zu sehen
ist, ist auch ein Lettering denkbar.
Dabei ist es sinnvoll, zunächst zu überlegen, ob einem Schriftelement eine besondere Funktion zukommt – dies kann beispielsweise ein Logo oder auch der Titel eines Buches sein, der die Leser neugierig auf den Inhalt machen soll. Ein eigenständiger, von Hand erstellter Schriftzug bietet stets die Chance, sich von der breiten Masse abzuheben und bleibt dem Betrachter zumeist stärker und für eine längere Zeit im Gedächtnis haften als maschinell gedruckte Buchstaben. Richtig eingesetzt, kann ein Lettering sogar zum richtigen Hingucker oder zum für sich alleine stehenden Kunstwerk werden.